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AutorenbildDaniel Hunziker

Wenn Noten wichtiger werden als Lerninhalte

Bei fast allen Schülerinnen und Schülern gab es eine Zeit, in der sie mit Freude zur Schule gingen, an so Vielem, das ihnen gezeigt und nahe gebracht wurde, interessiert waren und sich mit Engagement um Lerninhalte gekümmert hatten. Irgendwann verschwand ihr Interesse und das Erzielen einer guten Note wurde wichtiger als das, was sie lernen wollten. Wie konnte es so weit kommen, was sind die Folgen und was mögliche Lösungen?

Spätestens mit der Einschulung beginnt es: Der Spass ist zu Ende und der Ernst des Lebens beginnt. Jetzt wird gelernt und nicht mehr gespielt. Wo Erfolg bisher einfach die Folge von freudigem Tun war, wird er langsam aber sicher durch Anstrengung, Fleiss und Überwindung hart erarbeitet. «Das Leben ist schließlich kein Ponyhof», «ohne Fleiss kein Preis», «wer konsequent Ziele verfolgt und beharrlich dafür arbeitet hat Erfolg», tönt es aus der Erwachsenenwelt - und die Kindheit ist langsam aber sicher vorbei.

Im frühen Kindesalter ist all das bedeutend wozu Kinder reif sind und was in ihrer Umgebung vorhanden ist. Treffen diese Gegebenheiten aufeinander, finden effektive Lernprozesse mit Leichtigkeit statt.

Sollen Kinder auf einmal Dinge lernen, für die sie nicht reif sind, kann kein Interesse entstehen. Sind diese für sie uninteressant, langweilig oder unbedeutend, können keine fruchtbaren Lernprozesse geschehen. So geschieht es tausendfach - spätestens in den ersten Schuljahren. Nicht mehr die Entwicklungsimpulse der Kinder sind Ausgangspunkt für ihr Lernen, sondern #Lehrpläne und Anleitungen von Lehrpersonen. Dazu kommt, dass Kinder mit einem gesunden Entwicklungsverlauf zu Beginn ihrer Schulzeit in einem Alter sind, in dem sie offen sind, sich Gemeinschaftsregeln unterzuordnen. Das wird immer dann ersichtlich, wenn 1.Klässler nach Hause kommen und die Klassenregeln auch in ihrer Familie einführen wollen: «Frau Meier hat gesagt, dass wir das so machen sollen!» Die Bereitschaft anzuerkennen, dass die Schule so ist, wie die Klassenlehrperson es vorgibt, ist enorm. Wenn Lernen sich dann auf einmal nicht mehr so gut anfühlt wie früher, dann suchen Kinder nie den Fehler bei ihrer Lehrperson oder der Schule, sondern sie selber fühlen sich falsch.


Wenn also Kinder zu Schulbeginn nicht mehr ihren Entwicklungsimpulsen folgen können, nicht mehr Gestalter ihres Lernens sind, sich über- oder unterfordert fühlen und langsam aber sicher die Freude am Lernen verlieren, braucht es einen Ersatz, damit Lernen bedeutsam bleibt: Noten!


Auf diese Weise entsteht dann eine oft gehörte Ansicht, die unter Lehrpersonen, Eltern und sogar unter SchülerInnen weit verbreitet ist: «Schüler wollen, respektive brauchen Noten, um zu lernen.» Nur, so gesehen ist das ist nicht fertig gedacht. Denn...

Für Lernende müssen Lernprozesse bedeutsam sein. Bieten die Lerninhalte dies nicht mehr, treten Noten an deren Stelle.

So verwundert es nicht, das es Schulen gibt, an denen wöchentlich fünf, sechs #Prüfungen pro Woche gemacht werden. Diese sollen als Lernanreiz dienen. Die Lerninhalte alleine schaffen es offensichtlich nicht mehr, dass Schülerinnen und Schüler sich «nur» wegen ihnen engagieren würden. Man nimmt es in also Kauf, dass auf diese Weise bis zu einem Fünftel der möglichen Lernzeit für Prüfungen verschwendet wird - als ob es so viel Prüfbares überhaupt gäbe. Weiter muss die Frage gestellt werden, wie diese Tatsache mit dem Argument so vieler Lehrpersonen zusammenpasst, viel zu wenig Zeit für alle die vielen vorgegebenen Lerninhalte zu haben?


Das Dilemma ist klar:

Das Aufzwingen von Lerninhalten, die Kinder nicht interessieren oder für die sie nicht reif sind, lässt die Lernfreude langsam absterben. Als stellvertretender Motivator tritt die Aussicht auf gute #Noten. Aus einem freudigen Sog, eigenen Interessen nachzugehen, wird ein mühsames Puschen Dinge zu lernen, die nicht wirklich interessieren.

Was ist zu tun, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen:


  • Am Besten es gar nicht sei weit kommen lassen. Die Schule sollte «verkindergarterisiert» anstatt der #Kindergarten verschult werden. Auf allen Stufen der Schule sollte die gute Rhythmisierung des Kindergartens beibehalten werden, welche ausreichend Freiarbeitsmöglichkeiten bietet, bei denen Kinder und Jugendliche eigenen oder gemeinsamen Interessen nachgehen und sich als Gestalter ihres Lebens und Lernens erfahren können.

  • Früher hatten charismatische Lehrpersonen den «Mut zur Lücke». Heute heisst dasselbe etwas moderner #Compacting. Oder noch anders: Was kann man alles aus der Überfülle an Vorgaben und Lerninhalten gut und gerne weglassen, so dass Raum entsteht für authentische #Herausforderungen, bei denen Lernen als Gestaltungsraum, jenseits von richtig und falsch oder von gut und schlecht, erlebt werden kann? Das Prüfen von Lerninhalten kann so auf das absolut gesetzliche Minimum reduziert werden und eine parallele sinnenhafte und kindgerechte Lernkultur aufgebaut, respektive wiedererweckt werden.

  • Noten abschaffen wäre eine Lösung, die wir jedoch an der #Volksschule womöglich nicht mehr erleben werden - zu heilig ist diese Kuh. Es ist aber möglich genau abzuklären, was die staatlichen Schulgesetze vorgeben. Vielerorts ist es nämlich so, dass während des Schuljahrs gar keine Noten gegeben werden müssen - lediglich zum Ende des Schuljahres im #Zeugnis. Lehrpersonen, welche sich diese Gesetzesvorgaben bereits zunutze machen, überprüfen durchaus auch den Lernstand ihrer Schülerinnen und Schüler. Als Rückmeldung teilen sie ihnen jedoch nur mit, ob sie eine #Prüfung bestanden haben oder nicht. Lehrpersonen, die so arbeiten, berichten, dass das Interesse ihrer SchülerInnen weg vom Vergleichen mit Anderen hin zur Frage gelenkt wird: Was kann ich noch tun, was gibt es noch zu wissen, damit ich einen Lerninhalt auch wirklich verstehe? Selbstverständlich können diese Schülerinnen und Schüler danach noch weiter an einem Lerninhalt arbeiten und ihren Lernstand später noch einmal überprüfen.

  • Der letzte Aufruf geht an die #Bildungspolitiker und #Schulbehörden: Es gibt so viele tolle Lehrpersonen, so viele emphatische und engagierte Eltern und wunderbare und lebensfreudige Kinder. Diese haben die Courage derjenigen Leute verdient, die an den Hebeln der politischen Macht sind, die endlich mehr tun könnten, als mutlos alles beim Alten zu lassen. Eine kindgerechtere Schule könnte längst realisiert sein, talentierte und empathische Lehrpersonen müssten nicht resigniert den Beruf verlassen, Eltern müssten nicht haufenweise ihre Kinder an Privatschulen schicken, lebendige Kinder müssten nicht zu lustlosen Pflichterfüllern werden. All diese Menschen haben es verdient, dass Bildungspolitiker und Schulbehörden sich exponieren, unkonventionell sind und wenns sein muss ihre Beamtenkarriere zugunsten des Kindes- und Lehrerwohls riskieren.


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1 comentario


Thea Croce
Thea Croce
24 feb 2020

Glücklicherweise gibt es sie schon - die Schulen ohne Noten: Faroschule, Creaschule, Tandemschule usw. Und die Kinder lernen mit Begeisterung und Interesse!

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